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10.August 2016, Allgemein
Bezahlung im Amateurfußball – “Kein Geld für Hobby Ronaldos“

162 Kein Geld

Die jüngsten Diskussionen um den flächendeckenden Mindestlohn für Fußballer im Amateurbereich zeigen, wie sehr der populärste Sport in Deutschland auch in niedrigen Gefilden vom Geld dominiert wird. 

Was im Spitzensport anfängt, setzt sich im Amateurbereich fort: Fußballer sind im Verhältnis die bestbezahlten Sportler des Landes. Ob Leichtathleten, Handballer oder Skifahrer – niemand kommt an die kickenden Männer heran. Frauensport mal ganz zu schweigen. Selbst in unteren Ligen, wo nicht selten die Hobby-Ronaldos der Kreisklassen ihren kleinen Bauchansatz 90 Minuten mehr schlecht als recht über den Platz schleppen, lässt sich Geld verdienen. Kein Vermögen, nicht in jedem Verein, aber doch ein paar Euro.

So war es nicht überraschend, dass die Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 vor allem im Amateurfußball für Aufregung sorgte. 8,50 Euro pro Stunde sollte jeder vertraglich gebundene Fußballer verdienen, für sein Hobby. Gute Aussichten für die Spieler, schlechte für die Vereine. Deshalb reagierte die Politik und schob Ende Februar einen Riegel vor. Bei Amateurfußballern stehe der Spaß und nicht das Geldverdienen im Vordergrund. Demnach sei das Gesetz nicht für die Fußballer gedacht, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Ob ihre Einschätzung auch vor Gericht bestehen würde, ist nicht gesichert. Nahles bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.

Vor allem in den höheren Amateurklassen wie Hessenliga und Verbandsliga sind die Spieler nicht ausschließlich aus Spaß unterwegs, manche Fußballer verdienen mehr als nur ein kleines Taschengeld. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, das bleibt Geheimnis der Vereine und Spieler. Grobe Tendenzen gibt es freilich. Qualität, Erfahrung und ein gewisses Verhandlungsgeschick sind gute Voraussetzungen für einen prallen Geldbeutel. Ältere Spieler erhalten meist mehr als Talente. Von anderen Vereinen verpflichtete Spieler kassieren mehr als Eigengewächse. Der Topstürmer bekommt mehr als der Einwechselspieler. Dass manche Kicker in den höheren Amateurligen auf einen vierstelligen Betrag im Monat kommen, ist kein großes Geheimnis. Der Durchschnittsverdienst aber dürfte in Hessenliga, Verbandsliga und Gruppenliga zwischen 100 und 400 Euro liegen.

Nicht selten können oder wollen Vereine nach einer gewissen Zeit nicht mehr zahlen – mit Folgen: Sie haben sportlich kaum noch Chancen, steigen ab oder ziehen sich freiwillig zurück. Drei Beispiele aus der Region: Kickers Obertshausen, TGM SV Jügesheim und Viktoria Urberach. “Der finanzielle und organisatorische Aufwand steht in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Ertrag“, begründete Jügesheims Vorstandsmitglied Uwe Kuhn vor einem Jahr den Rückzug des Hessenliga-Meisters in die Gruppenliga. Urberachs Finanzchef Jürgen Braun argumentierte nach dem finanziell bedingten Abstieg des langjährigen Hessenligisten in die Verbandsliga ähnlich: “Auch in der Landesliga oder Gruppenliga gucken die Viktoria-Fans Fußball.“ Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Ansätze im Amateurbereich: Vereine, die komplett auf Vertragsamateure (um die ging es bei der Mindestlohn-Diskussion) setzen. Vereine, die ihre Spieler hauptsächlich über Kilometergeld für Anfahrten sowie Punktprämien belohnen. Und die Vereine, die gar kein Geld bezahlen.

Vorteile und Nachteile haben alle Varianten. Vertragslose Spieler können nichts einfordern, die Einhaltung der finanziellen Absprachen basiert auf Vertrauen. Im gegenzug sind aber auch die Spieler zu nichts verpflichtet. Anders ist dies bei den etwa 8800 Vertragsamateuren in Deutschland. Sie müssen regelmäßig ins Training kommen und Leistung erbringen, dafür werden ihnen mindestens 250 Euro im Monat garantiert. “Der Spieler unterwirft sich der Vereinsstrafgewalt“, heißt es in den offiziellen Schriften des DFB. Im Verletzungsfall sind die Fußballer zudem durch die Berufsgenossenschaft abgesichert. Der wohl strittigste Punkt ist jedoch, dass Vereine, die mit Vertragsamateuren arbeiten, nicht selten aus purem Eigennutz handeln. Sie wollen sich bei Neuverpflichtungen die Ablöse sparen. Normalerweise erhält der abgebende Verein bei einem Wechsel eine festgeschriebene Entschädigung. Wechselt zum Beispiel ein Spieler aus der Kreisliga zu einem Verbandsligisten sind je nach Alter des Spielers und Dauer der Vereinszugehörigkeit zwischen 750 und 3000 Euro fällig. Diese Regelung kann durch die Vergabe eines Amateurvertrags umgangen werden. Der Spieler kostet dann keinen Cent Ablöse.

Ob letztlich die vertraglich durch den Verband garantierten 250 Euro im Geldbeutel des Spielers landen, ist vor allem in niedrigen Klassen nicht sicher. Ein nicht unbekannter Trick: Zwar werden 250 Euro offiziell überwiesen, in Absprache zwischen Verein und Spieler findet ein Teil des Gehalts den Weg aber wieder zurück in die Vereinskasse.

In den unteren Ligen auf Kreisebene setzt sich derweil mehr und mehr die dritte Variante durch, die Spieler nicht zu bezahlen: In Dreieich etwa wurde im Zuge der Umstrukturierungen in der Vereinslandschaft ein Kodex vereinbart, nach dem den Fußballern – mit Ausnahme des Verbandsligisten SC Hessen Dreieich – kein Geld gezahlt werden soll. Eine positive Entwicklung, die aber eine logische Folge hat: Hessen-, Verbands- und Gruppenliga sind für die restlichen Dreieicher Klubs in weite Ferne gerückt. Denn insgesamt wird der Amateurfußball auch ohne flächendeckenden Mindestlohn in Zukunft für viele Spieler ein lohnendes Geschäft bleiben. Vorerst werden sich immer wieder vereinzelt Vereine finden, die für die Hobby-Ronaldos der Kreisklassen den einen oder anderen Geldschein mehr als die lokale Konkurrenz auf den Verhandlungstisch legen. Ganz so wie in der großen weiten Welt des Profifußballs.

Quelle: Offenbach Post