Frankfurter Sparkasse
test
Counter
21.Oktober 2016, Allgemein
Das Geschäft mit den Talenten (Teil 1)

167-talente-3

Die Profivereine greifen immer früher und aggressiver Fußballtalente ab. »Jeder spielt mit dem Traum Bundesligaprofi«, sagt Deniz Solmaz von der TSG Wieseck. Ein Überblick über das Geflecht zwischen Beratern, Vereinen und Eltern – mit dem Fokus auf Mittelhessen.

Just in dieser Woche kamen in Duisburg einige der talentiertesten Jugendspieler Deutschlands zusammen. Das Sichtungsturnier der U18 stand an, alle Landesauswahlen waren vertreten – ein Mekka für Berater und Scouts. »Was sich da abspielt, glaubt man nicht«, sagt Peter Gänßler. Der Laubacher war sieben Jahre lang Jugendscout für den FC Bayern München, arbeitete zuletzt mehrere Jahre für Mainz 05. Sichtungsturniere waren für ihn früher Pflicht. »Da sitzen weit über 200 Berater und Scouts mit Block auf der Tribüne und suchen die Nadel im Heuhaufen. Jeder flüstert, jeder hat was.«

Auf der Suche nach dem einen Jugendspieler mit dem zukünftigen Millionenvertrag werden die Grenzen immer weiter verschoben. Das Geschäft mit den Talenten wird auch in Mittelhessen zunehmend ausgereizt.Peter Gänßler war jahrelang Teil dieses Systems. Im Jahr 2004 spricht er den damals 13-jährigen Marco Vollhardt von der TSG Wieseck an. Nach mehreren Beobachtungen und einem persönlichen Besuch des Münchner Chefscouts in Grünberg wird Vollhardt zum FC Bayern vermittelt. Dort unterschreibt er zusammen mit dem ebenfalls aus Hessen stammenden Roberto Soreano einen Vierjahresvertrag. Beide gehen den gleichen Weg, leben im Internat. Der Mittelhesse Vollhardt wird sogar Deutscher Meister mit der U17. Das war vor neun Jahren. Heute spielt Soreano in Valencia. Er hat es geschafft, ist gerade für 14 Millionen Euro von Genua nach Valencia gewechselt. Vollhardt spielt in der neunten Liga in Burkhardsfelden. Ein Kreuzbandriss sorgte dafür, dass sein Internatsplatz neu besetzt wurde, in Frankfurt folgte der zweite Kreuzbandriss. Der stetige sportliche Abstieg war vorgezeichnet. Für Lädierte ist kein Platz in diesem Geschäft, das zu jener Zeit so richtig an Fahrt aufnahm.

»Einige, mit denen ich zusammengespielt habe, haben die zwölf Seiten unterschrieben, in denen die großen Zahlen stehen. Ich nicht«, sagt Vollhardt. Von den Zahlen, die immer größer werden, wollen mittlerweile unglaublich viele Menschen profitieren. Berater, Eltern und Vereine bewegen sich in einem System, das »manchmal beängstigend« ist.

167-peter-gaenssler

Peter Gänßler, heute 66, fing vor 13 Jahren als Scout an. »Ich war damals einer der Ersten, der in Mittelhessen konsequent gesichtet hat. Mittlerweile ist ein Boom entstanden.« Sportlich profitiert Deutschland davon. Die Verbände haben sich durch zig Auswahlen und DFB-Stützpunkte organisiert, die Vereine auch. Selbst in Mittelhessen tummeln sich regelmäßig Scouts von Leipzig oder Wolfsburg. »Heute kann kein Miroslav Klose mehr durchs Raster fallen«, sagt Gänßler. Andererseits hat sich ein Geschäft entwickelt, das auch im Jugendfußball ziemlich frei von Moral und Gewissen ist. Gänßler sieht das kritisch, war aber selbst Teil des Systems. »Ich habe auch die Eltern von Elfjährigen angesprochen. Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes.«

Rücksicht auf die Entwicklung der Spieler wird dabei kaum noch genommen. Entweder er funktioniert – oder eben nicht. »Die Spirale geht immer weiter nach unten, weil man zunehmend unter Druck steht und die Talente früher erkennen will«, sagt Deniz Solmaz, Leiter des Jugendförderzentrums bei der TSG Wieseck. Der mittelhessische Raum ist auf der Landkarte der Scouts und Berater mittlerweile fest verankert – und Wieseck ist die Nummer eins. Alleine im letzten Sommer wechselten zwölf Spieler der TSG in Nachwuchsleistungszentren (NLZ) von Profivereinen. Der Verein sieht sich selbst als Ausbildungsplattform. »Wenn ein Spieler sagt: Ich will ganz nach oben, dann helfen wir ihm. Er muss halt liefern und Leistung bringen«, erklärt Solmaz.

Die TSG pflegt eine Kooperation mit Eintracht Frankfurt und will so dafür sorgen, dass die Talente nicht mit elf oder zwölf, sondern mit 13 oder 14 Jahren zum Profiverein wechseln. Sobald die Kinder zwölf Jahre alt sind, trainieren die Besten aus Wieseck einmal im Monat in Frankfurt mit. »Ich glaube, dass das der perfekte Weg ist. So bleiben die Kinder länger im heimischen Umfeld. Alles, was zu früh auf Karriere ausgelegt ist, sorgt dafür, dass die Kinder irgendwann verbrennen«, meint Solmaz. Tägliche Autofahrten, kaum Zeit mit Freunden und mehr Druck können Jugendliche schnell belasten.

Fortsetzung folgt …..

 

Quelle: Giessener Allgemeine Zeitung